SOCIAL MEDIA – einst und jetzt

In meinen Jugendjahren gibt es zwar kein Internet und daher keine Social Media Kanäle. Die Verbreitung von Neuigkeiten funktioniert aber auch in dieser Zeit problemlos. Die Reichweite ist nicht so global wie jetzt, sondern eher auf den Ort beschränkt. Trotzdem haben es die Verbreitungsmethoden in sich.
Ein wichtiger Faktor ist der Dorftratsch. Zu vergleichen mit Whatsapp-Gruppen treffen sich „befreundete“ Menschen, um ihr Wissen auszutauschen. Dies sind vor allem Personen, die genügend (Frei)Zeit haben. Wenn der Wissensstand aktuell ist, geht man auseinander um die neuen Erfahrungen in der nächsten Gruppe zu präsentieren.

Ein Dorf…

Authentisch


Da das Erzählte ja authentisch sein soll, wird gerne zu den „Wahrheiten“ etwas hinzugefügt, um die Aktualität zu unterstreichen.
„Hast Du das schon gehört“, „Ich muss Euch was erzählen“. So startet der „Gruppenchat“ in den 70er Jahren.
Diese bestens informierten Personen geben ihr Wissen gerne weiter. Da ist der Briefträger ein Hauptansprechpartner. Dieser weiß dadurch eine Menge über die Leute im Dorf.
Hier passiert es aber oft, dass die Informationen hängenbleiben, weil manches wird mangels Glaubwürdigkeit nicht weitererzählt. In den Social Media Kanälen von heute bedeutet dies, dass der Inhalt nicht geteilt wird.

Damenrunde


Der Dorftratsch ist aufgrund der zeitlichen Gegebenheiten eher den Frauen zuzurechnen. Die Männer haben andere Treffpunkte. Nach der Hl. Messe am Sonntag trifft „Mann“ sich beim Kirchenwirt zum Frühschoppen. Dort wird neben brennend wichtigen Themen die aktuelle politische Lage analysiert. Vor allem die lokalen Volksvertreter bekommen oftmals ihr Fett weg, solange sie nicht anwesend sind.
Deswegen ist es schlau, vom Bürgermeister und Amtsleiter bei diesen Treffen dabei zu sein. Eine kippende Stimmung wird mit einer Lokalrunde besänftigt und schnell das Thema gewechselt.

Männergespräche


Ein beliebter Kommunikationsort der Männer ist der Fußballplatz. Wenn die örtliche Mannschaft im Siegeszug ist, sind fast alle männlichen Dorfbewohner dort zu finden.
Die Frauen lieben es gemütlicher. Im Dorfcafe, beim Friseur oder Greißler. Überall werden aktuelle Ereignisse aus dem Dorf kommuniziert.

Fake News einst und jetzt

Wenn solche Informationen weitergegeben und grob verändert werden, entstehen Falschmeldungen. „Fake News“.
Oftmals stimmt der Kern der Aussage. Die Veränderungen bringen aber die Geschichte aus dem Zusammenhang und lassen diese in einem komplett anderen Licht erscheinen.

Die Geschichte von Grete und Toni

„Die Tochter vom Wastlbauer, Grete, ist schwanger, sie trägt so weites Gewand“. „Der Vater wird vermutlich Toni sein, ich habe die beiden mehrmals miteinander gesehen“. Das ist die Erstinformation, die am Ortsplatz verbreitet wird.
In der zweiten Phase: „Die Tochter vom Wastlbauer, Grete, bekommt ein Kind von Toni“. „Der hat aber was mit einer anderen“. „Das arme Mädel“. „Toni betrügt die Grete, obwohl sie ein Kind von ihm erwartet.“
Ab diesem Zeitpunkt wird die Wastlbauertochter mitleidig angesehen und der Toni bekommt „böse“ Blicke wenn er im Ort zu sehen ist.
In Wahrheit hat die Tochter des Wastlbauer nur ein paar Kilo zugelegt, und der Toni war einmal auf dem Hof und hat ihnen geholfen.
Zwei Monate später ist Grete wirklich schwanger, aber nicht von Toni. Jetzt wird hinter ihrem Rücken darüber geredet, warum sie ihm dies nur antut. „Er ist so ein Lieber“ und sie hat was mit einem anderen.
In diesen Situationen ist ersichtlich: „Allen Menschen recht getan ist eine Kunst die niemand kann“. Die „Informationskanäle“ bilden sich ihre eigene Wahrheit, ob sie stimmt oder nicht.
Das Problem ist, solche Geschichten auf dem Weg sind nicht mehr zu stoppen. Auch wenn Grete bei den ersten Gerüchten behauptet, dass sie nicht schwanger ist, wird ihr nicht geglaubt. Tonis Aussagen werden genauso angezweifelt.
Wehe, wenn das Kind später eine klitzekleine (subjektive) Ähnlichkeit mit Toni hat 🙂 – dann gibt es wieder einiges zu berichten.

Die Frau am Fenster

Es gibt Menschen im Dorf, die nicht Tratschen und verbreiten, aber trotzdem alles wissen. Dazu braucht man Zeit und einen günstig gelegenen Platz zum Beobachten. Das Fenster zur Straße oder die Sonnenbank vor dem Haus.
Wer es geschickt anstellt, kommt ins Gespräch und wird viele Neuigkeiten erfahren.

Frau am Fenster

Subjektive Wahrnehmung

Der Nachteil von Beobachtungen, die weitergegeben werden, sind die subjektiven Interpretierungen des Gesehenen und Gehörten. Grete hat schwanger ausgesehen, war es aber nicht. Es werden Schlüsse gezogen, ohne den Blick auf das Ganze zu haben. „Gefährliches Halbwissen“.

Eine Dame in der Nachbarschaft ist oft alleine zuhause, da ihr Mann auf Montage ist. Da der neu zugezogene Herr Oberlehrer mehr als einmal zu ihr ins Haus kommt, hat sie ein Verhältnis mit ihm – laut „Dorffunk“. Der Ehemann wird mitleidig angesehen und heimlich getuschelt: „Der Arme, arbeitet bis zum Umfallen und seine Frau betrügt ihn“. In Wahrheit ist es ihr Cousin 🙂

Muss man alles wissen?

In meiner Jugendzeit wird einiges auf der Straße erzählt. Eine Menge Geschichten werden durch die „Stille Post“ aufgebauscht. Ich habe damals schon versucht, die Wahrheit zu finden. Aber: Wollte ich diese überhaupt wissen?
Solche „Erzählungen“ bringen gar nichts, vor allem wenn man nicht persönlich davon betroffen ist.
Ein markantes Beispiel dazu ist die „berühmte“ Frau Stockl bei den Rosenheim-Cops. Die Dame weiß alles und legt die Informationen oftmals falsch aus. Hier wird mit Humor genau die subjektive Wahrnehmung beschrieben.

In den „alten“ Zeiten ist dies überschaubar. Heutzutage wandern solche Mitteilungen global ins Netz. Da wird es dann schwierig, die Wahrheit herauszufinden.
Es gibt aber genug Möglichkeiten, genau zu recherchieren und sich ein Bild zu machen. Es werden viele „Meldungen“ nicht persönlich betrachtet und mit einer eigenen Meinung versehen. Ungelesen „Teilen“, weil die Schlagzeile anspricht. Damit erreicht man „Likes“ oder erzürnte Kommentare, beides nur subjektive Momentaufnahmen.

Bei sachlichen Themen diskutiert man gerne, solange die Höflichkeit vorhanden ist. Wenn es ins Persönliche abgleitet, wird eine Grenze überschritten. Das war in den früheren Zeiten so und hat auch heute noch Gültigkeit.
Nachdenken und recherchieren, bevor man Informationen weitergibt, die nicht belegbar sind. Wenn sie stimmen, überlegen, ob sie jemanden schaden, und dann am Besten bei sich behalten.

www.maximilian-zauner.info

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